Isabella Nömayer: Die Kühe sind meine „Supervision“

Die Schwoagerin, auch Halterin genannt, Isabella Nömayer hat seit dem Jahr 2008 die Gsollalm bei Eisenerz gepachtet. Im Unterschied zur Sennerin, die auch melkt und Käse erzeugt, ist sie ausschließlich für die Betreuung von Weidevieh für drei Monate im Sommer verantwortlich. Die Gsollalm ist ein beliebtes Ausflugsziel am Fuße der Frauenmauerhöhle und gehört zum 2.500 Hektar großen Forstbetrieb Hohenberg in der Region rund um den Pfaffenstein und den Leopoldsteinersee. Die gelernte Diplomingenieurin der Kunststofftechnik ist im Forstbetrieb angestellt, dort hauptsächlich Jägerin und für alles zuständig, was Hege,Pflege und Wildbretverkauf betrifft. Sie betreut die Gäste des Hauses Hohenberg und ist im Sommer Halterin auf Zeit. Weiters ist sie in der Kulinarikinitiative GenussReich Vorstandsmitglied. Fotos & Interview: Elisabeth Egle

Elisabeth Egle: Wie kam es, dass Sie die Gsollalm übernommen haben?
Isabella Nömayer: Im Jahr 2008 kam der damalige Förster auf die Idee, meinen heutigen Mann und damaligen Lebensgefährten zu fragen, ob ich nicht bereit wäre, die Alm zu übernehmen. Die Pächter hatten kurzfristig zurückgelegt. Ich habe unter der Bedingung zugesagt, dass ich nur am Nachmittag oben sein kann, denn meinen damaligen Beruf als Seniorenbetreuerin wollte ich nicht aufgeben.

Elisabeth Egle: Und dann?
Isabella Nömayer: Nach 14 Tagen haben die Bauern befunden, ich kann das als Halterin sehr gut, weil ich so schön auf das Vieh schaue und ich schon alle kenne. Sie haben gemeint, ich soll die Tätigkeit der Halterin ganz übernehmen.

„Für drei Monate gehören die Kühe praktisch mir.“


Elisabeth Egle: Wie viele Kühe sind es in diesem Sommer?
Isabella Nömayer: Heuer sind es insgesamt 69 Stück. Darunter sind angehende Mutterkühe, die nach vielen Jahren als Milchkühe in der Milchwirtschaft wieder den Umgang mit dem Kalb lernen sollen, Ochsen und Jungrinder.

Elisabeth Egle: Auch wenn es eine Arbeit auf Zeit ist, verzichten Sie seit 2008 auf Urlaub im Sommer. Wie kam es zu dieser Leidenschaft für die Arbeit mit den Tieren?
Isabella Nömayer: Wir waren als Kinder in den Osterferien immer mit unseren Eltern auf einem Bauernhof. Ich bin freiwillig in der Früh aufgestanden, dass ich in den Stall gehen konnte, um dort zu helfen. Auf d’Nacht haben wir um fünf Uhr wieder daheim sein müssen und ich konnte so wieder in den Stall gehen. Der Altbauer hat damals – vielleicht auch scherzhaft – meine Schwester und mich gefragt, wer von uns denn vielleicht Bäuerin wird. Beide haben wir kategorisch verneint. Ich würde das jetzt auch nicht das ganze Jahr über machen wollen, da ich beruflich ganz was anderes mache. Aber die Alm über den Sommer zu nehmen, das mag ich sehr. 

Isabella und Hermann Nömayer, beide Jäger, sagen, Wildbret ist in Sachen Nachhaltigkeit ganz vorne.
Isabella Nömayer und Elisabeth Egle, bei GenussReich verantwortlich für die Kommunikation, im Gespräch vor der imposanten Weite.

Elisabeth Egle: Für Sie passt das jetzt gut so, oder?
Isabella Nömayer: Ja, es ist eine Idealsituation für mich. Drei Monate im Sommer gehören die Kühe praktisch mir, ich trage die volle Verantwortung für sie, und dann gebe ich sie wieder zurück. Alle haben etwas Gutes davon.

Elisabeth Egle: Wie sieht es da mit dem Almbuffet auf der Hütte aus? 
Isabella Nömayer: Das mache ich freiwillig dazu. Die Gsollalm ist in Privatbesitz. Ich habe sie gepachtet und verpflichte mich, Weidevieh aufzutreiben. Und kann mir auch aussuchen, wer seine Tiere auf die Gsollalm bringen darf. Im Rahmen dieser Klein-Landwirtschaft habe ich das Recht, ein Almbuffet zu betreiben, was ich gerne mache. Wir bereiten das Meiste selbst zu, das Brot backen wir selbst. Selchwürste und Speck bereiten wir bereits in den Wintermonaten zu, das braucht ja eine Zeit zum Reifen und das Bradl braten wir für unsere Almbuffet-Jausen.

Elisabeth Egle: Merken Sie eine Veränderung beim Klima nach so vielen Jahren auf der Alm?
Isabella Nömayer: Nicht wirklich, es ist jedes Jahr anders. Du hast einmal Jahre dabei, da regnet es durch. Es sind Jahre dabei, da ist bis zu fünf Wochen eine Trockenperiode im Sommer.

Elisabeth Egle: Was heißt das konkret für das Jahr 2024?
Isabella Nömayer: Heuer haben wir ein Schaltjahr. Das bedeutet Wetterextreme egal in welche Richtung. Also Extrem-Regen, Extrem-Wasser, Extrem-Unwetter, Extrem-Sonne. Das Frühjahr war heuer zu schnell da. Das Gras ist zu rasch gewachsen und hat keine Kraft. Da heißt es nun hoffen, dass es sich bis zum Ende der Saison ausgeht, weil zum Dazufüttern sind die Rinder nicht auf der Alm.

Elisabeth Egle: Jetzt sind wir hier in einer sehr schneereichen Gegend. Hat sich da etwas verändert?
Isabella Nömayer: Wenn es im Winter eine geschlossene Schneedecke gibt, dann wird es ein sehr schöner Sommer. Der ist nicht zu heiß und ich habe ein gutes Futter bis zum Ende der Almsaison. Ist der Winter löchrig, das heißt keine geschlossene durchgehende Schneedecke und nicht, wie es für Eisenerz üblich ist, acht bis zehn Meter Jahres-Niederschlag, dann wird es meist ein ganz bescheidener Sommer. Der Sommer heuer ist schleißig wie der Winter, der nicht richtig Winter war. Das Futter ist gewachsen, dann hat es das Wachsen eingestellt, danach ist es herausgeschossen, aber nur so dünne Fäden. Da sind keine Kraft- und nur wenig Nährstoffe enthalten.

„Man wird hier oben ruhiger, gelassener.“

Elisabeth Egle: Was ist es, was Sie am meisten hier auf der Gsollalm hält?
Isabella Nömayer: Das sind meine Rinder, die ich über Alles liebe. Natürlich wachsen dir einige mehr ans Herz – wie das im Leben so ist.

Elisabeth Egle: Merken Sie eine Veränderung bei Ihnen selbst, wenn Sie im Sommer hier oben sind?
Isabella Nömayer: Du bist ruhiger, gelassener. Ich war lange im Pflegebereich tätig, und das hier oben war mein Ausgleich. Ich habe nie eine Supervision gebraucht, ich habe meine Rinder. Und das ist auch heute so.